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  • Im Land lernen: Nicht unbedingt.

    Mittwoch, den 6. April 2016 von Benjamin Kühn
    Goethe in der Campania

    Oft heißt es ja, eine Sprache lerne man am besten im Land, also Spanisch in Spanien, Englisch in den USA oder in Großbritannien und natürlich in Deutsch. Der Grundgedanke ist sicher gut: Die Zielsprache im Alltag, auf der Straße, beim Einkaufen und im öffentlichen Verkehr zu hören und sie so quasi nebenbei aufzusaugen. Ich möchte dieser verbreiteten Ansicht heute widersprechen – zumindest teilweise. Im Klartext: Sie sollten nicht ohne Anfängerkenntnisse ins Land – also nach Deutschland einreisen: Steigen Sie besser erst dann ins Flugzeug in die Bundesrepublik, wenn Sie in Ihrem Land die Stufe A2 erfolgreich abgeschlossen haben.

    Der erste Grund liegt auf der Hand: Es ist nicht unbedingt motivierend, wenn Sie sich in einem Land bewegen müssen, in dem Sie noch gar nichts verstehen. Wenn Sie einen Anfängersprachkurs im Land der Zielsprache besuchen, müssen Sie sich sehr schnell im Alltag und im öffentlichen Raum zurechtfinden – für viele Lerner ist gerade dies keine angenehme Erfahrung. In Gruppensprachkursen führt dies aus meiner Erfahrung dazu, dass sich sehr schnell Landsleute zusammenfinden und miteinander in ihrer Muttersprache kommunizieren – gerade auch, weil die Kenntnisse in der Zielsprache noch nicht ausreichend sind. Um Deutsche kennen zu lernen und mit ihnen auf Deutsch zu kommunizieren – da stellt sich doch die Frage, ob eine solche Situation nicht eher demotivierend und kontraproduktiv fürs Sprachenlernen ist.

    Der zweite Grund liegt im Sprachunterricht selbst: In Deutschland sitzen in Gruppenkursen in der Regel Lerner aus vielen verschiedenen Ländern mit vielen unterschiedlichen Muttersprachen. Eine solche interkulturelle Mischung ist sicherlich reizvoll, aber gerade bei Anfängern wird in der Regel gerade nicht in der Zielsprache kommuniziert, sondern häufig auf Englisch. So kommt es, die Teilnehmer eines Deutschkurses untereinander Englisch oder in ihrer Muttersprache sprechen.

    Wenn Sie Ihren ersten Deutschkurse, also etwa die Stufe A1 und A2 in Ihrem Heimatland absolvieren, hat dies einige Vorteile: Ihre Mitlerner haben in der Regel die gleiche Muttersprache – und damit die gleichen Probleme mit der deutschen Grammatik – ein guter Sprachlehrer wird auf diese Probleme im Unterricht eingehen. Ein Beispiel: In Ihrer Muttersprache gibt es keine Artikel, so wie z. B. im Russischen. Im Deutschunterricht muss dann der Gebrauch des bestimmten und unbestimmten Artikels geübt werden, am besten auch kontrastiv.

    Lerner aus Asien haben oft größere Probleme mit der deutschen Phonetik als Europäer. In der Folge muss der Lehrer bei Lerngruppen, etwa mit Muttersprache Thai, Chinesisch oder Koreanisch von Anfang an intensiv Aussprache trainieren.

    In einer internationalen Lernergruppe kann Ihr Deutschlehrer nicht auf die sprachlichen Probleme eingehen, die Sie durch Ihre Muttersprache (vielleicht) haben. Wenn es ungünstig läuft, arbeiten Sie in keinem Deutschkurs an Ihren spezifischen Problemen. Stattdessen nehmen Sie verfestigte Fehler mit auf ein höheres Sprachniveau.

    Aus den oben genannten Gründen raten wir Ihnen, Anfängerkurse in Ihrem Heimatland zu besuchen – und mit soliden Basiskenntnissen im Zielland weiterzulernen. Ob Sie unsere Empfehlung nun folgen oder nicht: Wir wünschen Ihnen maximalen Lernerfolg – und natürlich auch Spaß an der Sprache.

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