Alle Kurse
  • Wie schwer Deutsch wirklich ist:

    Samstag, den 25. Juli 2015 von Benjamin Kühn
    babylonische Sprachverwirrung

    Viele Personen kommen zu uns und wollen ihr Deutsch verbessern oder ganz neu mit Deutsch beginnen. Das freut uns natürlich immer. Vor allem, weil wir merken, dass Deutsch nach jahrelanger Stagnation wieder mehr Freunde, Fans und Interessenten findet. Wir finden Deutsch eine schöne und lernenswerte Sprache, besonders aber haben wir uns natürlich dem medizinischen Deutsch verschrieben. Immer wieder fragt man uns, ob Deutsch schwer sei. Wir beantworten die Frage gerne, ohne darauf eine eindeutige Antwort zu geben: Deutsch ist eine Sprache mit ihren eigenen Regeln und Strukturen, und unterscheidet sich so von anderen Sprachen. Zu manchen Sprachen, wie zum Beispiel zum skandinavischen Sprachen, bestehen nur geringe Differenzen. Anders ist es, wenn man Deutsch mit Japanisch, Arabisch oder Ungarisch vergleicht: Die Unterschiede sind enorm. Deutsche, die z. B. Japanisch lernen, können ein Lied davon singen, wie anstrengend es ist, sich in eine komplett andere Sprachstruktur hineinzudenken.

    Damit sind wir beim Kernproblem angelangt: Deutsch ist – unserer Meinung nach – nicht schwieriger oder leichter als andere Sprachen, es ist eben nur anders. Es hat seine Regeln, sein grammatisches System, das in sich sogar sehr logisch ist. Deutsch funktioniert in den verschiedensten Kommunikationssituationen ebenso gut wie jede andere Sprach auch. Nur löst Deutsch eben bestimmte kommunikative Ziele anders als andere Sprachen. Ein Beispiel: Das Ungarische kennt 26 Fälle, also Endungen an Nomen. Dafür gibt es weniger Präpositionen. Deutsch kommt mit vier Fällen aus, benötigt dafür aber wesentlich mehr Präpositionen. Ist es nun aufwändiger, viele Verbendungen zu lernen oder viele Präpositionen? Hier kann man diskutieren, deutsche Muttersprachler, die bestenfalls mit vier Fällen kommunizieren, werden von den vielen Endungen überrascht sein, vor dem zu erwartenden Lernaufwand erschrecken, wenn sie mit dem Ungarischen Kasussystem konfrontiert werden. Was denken nun die Ungarn über die große Menge deutscher Präpositionen?

    In unseren Kursen beobachten wir immer wieder zwei verschiedene Gruppen von Lernerinnen und Lernern: Die eine Gruppe hängt mental lange an der Muttersprache oder an einer bereits erlernten Sprache (Hilfssprache), oft am Englischen. Viele von ihnen beginnen spät oder nie, auf Deutsch zu denken. Wenn solche Lerner Texte produzieren, egal ob mündlich oder schriftlich, denken sie die Inhalte zuerst in der Muttersprache oder in der bekannten Sprache und übersetzen dann ins Deutsche. Oft werden dabei einfach Ausdrücke und Strukturen Wort für Wort übertragen. Sprachlich entstehen so Interferenzen, also z. B. englische Sätze mit deutschen Wörtern. Solche Dinge passieren immer wieder beim Sprachenlernen und bis zu einem gewissen Niveau sind sie durchaus normal. Die erwähnte Gruppe von Lernern schafft es nie oder nur sehr partiell, sich von der Muttersprache mental zu lösen.

    Der anderen Gruppe von Lernern gelingt es während des Lernprozesses immer mehr, auch auf Deutsch zu denken. Irgendwann produzieren die Gehirne dieser Lerner dann direkt deutsche Sätze und keine Übersetzungen mehr. Zugegeben, auch das funktioniert nie von heute auf morgen, aber diese Personen schaffen es meistens, ein sehr hohes Niveau auf Deutsch zu erreichen. Sie bringen meistens schon von Anfang an den Mut auf, die Muttersprache oder die Hilfssprache hinter sich zu lassen.

    Was können Sie daraus lernen? Fragen Sie sich einmal bewusst, ob Sie beim Deutschlernen noch übersetzen oder schon direkt auf Deutsch produzieren. Wenn Sie mit der Deutschen wirklich auf das Niveau C1 oder höher kommen wollen und dieses Ziel nur mit Mühe erreichen, ist es nach unserer Erfahrung oder eine Sache der inneren Einstellung: Wir empfehlen, konsequent und möglichst bald auf Deutsch zu denken, dann geht das Lernen der Sprache oft wie von selbst.

    Wenn Sie dabei Rückschläge erleiden, bedenken Sie:

    1. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass nur Babys und Kleinkinder wirklich eine Sprach lernen können.
    2. Auch diese Babys und Kleinkinder benötigen mehrere Jahre, bis sie wirklich auf C-Niveau gelangen.

    In diesem Sinne: Denken Sie auf Deutsch, dann geht es irgendwann leichter – wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Lernen – und natürlich viel Spaß und Begeisterung.

    alle Artikel